Frühes Lungenkarzinom: Heilung ist das Ziel
Könnten neue Therapieoptionen das Rezidivrisiko deutlich reduzieren?
Etwa 50 % der Patient:innen mit frühem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (eNSCLC) erleiden nach der Operation ein Rezidiv. Um die Chancen zu erhöhen, lange - möglichst ein Leben lang - krankheitsfrei zu bleiben, bedarf es daher neuer adjuvanter Therapieoptionen jenseits der Chemotherapie, die das Risiko eines Rezidivs wirksam reduzieren. Neben ersten zielgerichteten Optionen im adjuvanen Setting könnten insbesondere die Krebsimmuntherapien das Risiko eines Rückfalls deutlich verringern und das krankheitsfreie Überleben (DFS) erheblich verlängern. Wie sich die Behandlung des eNSCLC zukünftig verändern wird und warum das realistische Ziel bald "Heilung" lauten könnte, lesen Sie hier.

Medical Need

Seit der Einführung der platinbasierten Chemotherapien in den 2000er Jahren hat sich die Behandlungssituation beim frühen nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (eNSCLC) für Patient:innen ohne Treibermutationen kaum verändert.1,2 Die aktuelle Standardtherapie verbessert das Fünf-Jahres-Überleben der Betroffenen nur um 4 - 5 %, bei etwa 50 % der Betroffenen tritt ein Rezidiv auf.3-6 Patient:innen, die die Diagnose in frühen Stadien mit Aussicht auf Heilung erhalten, müssen nach einer Resektion bisher dennoch jahrelang mit einem erheblichen Rezidivrisiko und damit einhergehender Unsicherheit leben.
Der Bedarf an neuen, wirksamen systemischen Therapien, die dieses Risiko signifikant reduzieren, die Ergebnisse der Resektion sichern und den Patient:innen die Chancen geben, möglichst lange - vielleicht sogar ein Leben lang - krankheitsfrei zu bleiben, ist daher hoch.
Wie lässt sich Heilung messen?
Bei der Erforschung neuer Behandlungsoptionen hat sich in der Onkologie das Gesamtüberleben (OS) als harter klinischer Endpunkt als Goldstandard etabliert, um die Wirksamkeit einer Behandlung zu bewerten. Insbesondere bei hochwirksamen Therapien, die das Überleben der Patient:innen selbst in fortgeschrittenen Stadien um Jahre verlängern können, lässt sich das OS erst nach Jahren bestimmen. Um wirksame Substanzen dennoch möglichst schnell für die Betroffenen zugänglich zu machen, müssen daher Endpunkte jenseits des OS herangezogen werden. Wie aber lässt sich die Effektivität einer Therapie messen, wenn die behandelten Patient:innen aufgrund der erfolgten Resektion als geheilt gelten? Wenn ein OS – glücklicherweise – erst nach vielen, vielen Jahren zu bestimmen wäre?
Hier hat sich die Messung des krankheitsfreien Überlebens (DFS) als valider Indikator für die Wirksamkeit einer Intervention erwiesen. Studien konnten bereits zeigen, dass das DFS ein geeigneter Surrogatendpunkt ist, da er in der Regel stark mit dem OS korreliert.7 Der Vorteil: Valide Ergebnisse zum DFS liegen bereits früher vor und können so helfen, wirksame adjuvante Behandlungen schneller in den Praxisalltag zu bringen. Vor diesem Hintergrund bestätigen auch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) sowie die U.S. Food and Drug Administration (FDA) das DFS als Surrogatendpunkt zum OS.8,9
Referenzen:
- Vansteenkiste, et al. Ann Oncol 2019
- Wu, et al. N Engl J Med 2020
- Pignon, et al. J Clin Oncol 2008
- Postmus, et al. Ann Oncol 2017
- NCCN Guidelines v.3 2021 https://www.nccn.org/guidelines/guidelines-detail?category=1&id=1450
- Artal Cortés, et al. Transl Lung Cancer Res 2015
- Hellmann, et al. Lancet 2014
- EMA. Guideline on evaluation of anticancer medicinal products in man
- FDA table of surrogate endpoints

Wirkmechanismus

Adjuvante Krebsimmuntherapien sollen nach der Operation das Immunsystem aktivieren und die T-Zellen stimulieren, damit sie verstärkt gegen mögliche verbliebene Krebszellen und Mikrometastasen vorgehen können.1-4 Die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Auftretens der Krankheit kann so verringert werden.3,5,6 Beim lokal fortgeschrittenen nicht operablen oder metastastasierten NSCLC haben klinische Daten den Nutzen der Krebsimmuntherapie - sowohl in der Monobehandlung als auch in Kombination mit Chemotherapie - bereits bestätigt.7-18 Die Krebsimmuntherapie hat sich in diesem Setting bereits als Standard etabliert - diese Entwicklung scheint nun auch im frühen Stadium Einzug zu halten.
Referenzen:
- Versluis, et al. Nature 2020
- Horne, et al. J Surg Res 2011
- Topalian, et al. Science 2020
- Tarhini, et al. J Transl Med 2015
- Versluis, et al. Nature 2020
- Horne, et al. J Surg Res 2011
- Brahmer, et al. N Engl J Med 2015
- Borghaei, et al. N Engl J Med 2015
- Herbst, et al. Lancet 2015
- Reck, et al. N Engl J Med 2016
- Rittmeyer, et al. Lancet 2017
- Gandhi, et al. N Engl J Med 2018
- Socinski, et al. N Engl J Med 2018
- Paz-Ares, et al. N Engl J Med 2018
- West, et al. Lancet Oncol 2019
- Mok, et al. Lancet 2019
- Herbst, et al. N Engl J Med 2020
- Antonia, et al. N Engl J Med 2018

Testung: Relevante Marker beim eNSCLC

Was beim fortgeschrittenen NSCLC bereits Best Practice ist, wird nun auch beim eNSCLC immer wichtiger: Um für jede:n Patient:in die passende Therapie zu finden, ist es entscheidend, den Tumor genau zu kennen. Die Entscheidung, welche adjuvante Therapie in Frage kommt, hängt zukünftig unter anderem vom EGFR- oder PD-L1-Status ab. Während für EGFR-positive Patient:innen bereits zielgerichtete adjuvante Optionen bereitstehen, könnten für Patient:innen mit hoher PD-L1-Expression zukünftig Krebsimmuntherapien verfügbar sein.
Molekulare Diagnostik und Therapie werden damit auch beim eNSCLC vielfältiger - für die Patient:innen sind das gute Nachrichten, ihre Perspektiven werden sich voraussichtlich in den nächsten Jahren weiter verbessern. Daher sollte sie zukünftig bereits früh bei den Überlegungen und Gesprächen bedacht und notwendige Testungen nach der Tumorresektion in die Wege geleitet werden.