Spätestens seit Veröffentlichung der ETDRS-Studienergebnisse in den 90er Jahren ist jedem Augenarzt klar: Das Voranschreiten einer diabetischen Retinopathie (DR) zu einer proliferativen Form kann mithilfe einer panretinalen Laserkoagulation (pALK) verhindert werden. In der Therapie des diabetischen Makulaödems (DMÖ) mit Foveabeteiligung ist die intravitreale operative Medikamenteneingabe (IVOM) mit unterschiedlichen Wirkstoffen heutzutage Goldstandard. Doch über welche Therapiemöglichkeiten verfügt der Augenarzt bei seinen Diabetes-Patient:innen – heute und in Zukunft?
Diabetes mellitus ist auf dem Vormarsch und betrifft weltweit bereits jeden 11. Erwachsenen. Insbesondere, wenn Patient:innen schon lange erkrankt sind, der Diabetes schlecht eingestellt ist oder zusätzliche Risikofaktoren wie Übergewicht und Bluthochdruck vorliegen, kann es an den kleinen Netzhautgefäßen des Auges zu Gefäßwandschädigungen, der sogenannten diabetischen Retinopathie (DR), kommen. Hauptursachen für einen Visusverlust sind die diabetische Makulopathie und das diabetische Makulaödem (DMÖ), welches in jedem Stadium einer DR auftreten kann.1
Leitlinienkonforme Therapie des DMÖ
Ein klinisch signifikantes DMÖ (CSMÖ) liegt dann vor, wenn eine Verdickung der Netzhaut und/oder harte Exsudate innerhalb von 500 µm um die Fovea vorliegen oder wenn sich ein Ödem von mehr als einem Papillendurchmesser (PD) innerhalb eines Radius von 1 PD um die Fovea befindet.2 Besteht ein CSMÖ ohne Foveabeteiligung, ist laut Stellungnahme der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG), der Retinologischen Gesellschaft e.V. (RG) und des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands e.V. (BVA) eine fokale Laserkoagulation möglich.
Bei Sehverschlechterung und fovealer Beteiligung hingegen sollten Augenärzt:innen bei der Behandlung des Auges ihrer Diabetes-Patient:innen intravitreale Medikamenteneingaben (IVOM) mit VEGF-Hemmern (Vascular Endothelial Growth Factor-Inhibitor) oder Steroiden anbieten. Die intravitreale Gabe von VEGF-Hemmern muss das Nebenwirkungsprofil der Medikamente bei jeder Patientin und jedem Patienten individuell berücksichtigt werden.
Die höhere Rate okulärer Nebenwirkungen nach intravitrealen Steroiden (Anstieg des Augeninnendrucks und Entstehung beziehungsweise Zunahme einer Linsentrübung) spricht für den Einsatz von VEGF-Hemmern. Für den Einsatz von Depot-Steroiden spricht die niedrigere Anzahl von Injektionen ins Auge.
Trotz des geringeren Nutzens kann alternativ zur IVOM eine fokale Lasertherapie angeboten werden, wenn die Stellen der Leckage für eine Laserkoagulation gut zugänglich sind. Eine zusätzliche fokale Lasertherapie sollte wegen Nachteilen für das Visusergebnis nicht frühzeitig, d.h. vor dem 6. Monat einer IVOM-Behandlung erfolgen.
Dabei gilt es zu bedenken, dass Diabetiker mit fortgeschrittenen Stadien einer diabetischen Retinopathie oftmals unter einer Vielzahl an Komorbiditäten leiden, welche häufige Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte erforderlich machen, die nicht immer planbar sind. Für den Erfolg einer IVOM-Therapie ist es allerdings unerlässlich, dass die Patient:innen die Injektionstermine einhalten.
Zukünftige
Therapiemöglichkeiten
In den kommenden Jahren ist mit neuen Therapieoptionen für die Behandlung des diabetischen Makulaödems zu rechnen.3 Expert:innen sind sich dahingehend einig, dass bei der Pathogenese des DMÖ inflammatorische Prozesse eine wichtige Komponente darstellen. Erkenntnisse über die zugrundeliegende Pathophysiologie sind allerdings vielfältig, hochkomplex, und bieten noch viel Spielraum für zukünftige Forschung. Neben der mikrovaskulären Schädigung und Okklusion der Netzhaut-Kapillaren, die zu einer Hypoxie führen, kommt es zu einer Hochregulation zahlreicher proinflammatorischer Botenstoffe.4
Für die Zunahme der Gefäßpermeabilität und die resultierende Ödembildung ist dabei der VEGF hauptverantwortlich.5 Dem DMÖ liegt also ein komplexes entzündliches Geschehen zugrunde, das derzeit durch VEGF-Hemmer oder Steroide antagonisiert werden kann.
2. ETDRS report No 4 Int Ophthalmol Clin 1987; 27:254-264
3. Kim EJ et al., Curr Diab Rep. 2019;19(9):68
4. Sohn HJ et al., Am J Ophthalmol 2011; 152(4):686-94
5. Abcouwer SF J Clin Cell Immunol 2013; Suppl 1(11):1-12