Eine aktuelle Studie von Bitirgen et al. im British Journal of Ophthalmology hat untersucht, ob eine COVID-19-Erkrankung auch langfristige Auswirkungen auf das Auge hat. Dabei wurden Patient:innen mit und ohne Long Covid verglichen. Es zeigten sich Unterschiede in Bezug auf die Beschaffenheit der Nervenzellen und die Anzahl dendritischer Zellen in der Hornhaut des Auges.
Wie äußert sich
Long Covid?
Bereits bei vorherigen vergleichbaren Viruserkrankungen (MERS oder SARS) kam es bei Genesenen teilweise zu langfristigen Symptomen, die unter anderem die Lunge, das Herz-Kreislauf-System, aber auch das Nervensystem betrafen.1 Die bekanntesten Symptome, die bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 auftreten, sind zwar respiratorischer Natur, doch auch abseits der Lungen manifestiert sich COVID-19, sowohl akut als auch langfristig.1
Die Palette der anhaltenden Symptome ist breit und im Fall von COVID-19 zählen zu den häufigsten: Fatigue, Atemprobleme, Brustschmerzen, Gelenkschmerzen, Herzklopfen, Geruchs- und Geschmacksverlust, Haarausfall, Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsdefizite sowie psychosoziale Probleme (Einsamkeit, Angst, Depressionen und Schlafstörungen).2 Die Studie von Bitirgen et al. geht davon aus, dass mindestens 10 Prozent der COVID-19-Erkrankten eine Form von Long Covid entwickeln.3
Neurologische Symptome
nach COVID-19
Im Zusammenhang mit den häufig berichteten Auswirkungen auf das Nervensystem hat die Studie im British Journal of Ophthalmology daher die Auswirkungen einer SARS-CoV-2-Infektion auf die Hornhaut (Cornea) untersucht.
In die Studie wurden 40 Post-COVID-19-Patient:innen und 30 gesunde Menschen als Kontrollgruppe eingeschlossen. Insgesamt litten 22 der Betroffenen vier Wochen nach ihrer COVID-19-Genesung unter neurologischen Symptomen, 18 Patient:innen waren frei davon.
Da die Hornhaut von einer großen Anzahl an Nervenzellen durchzogen ist und bei vielen Augenerkrankungen, aber auch bei anderen Krankheiten – darunter beispielsweise Diabetes mellitus4 – Veränderungen aufweist, analysierte das Team um Bitirgen den besonders nervenreichen subbasalen Plexus in der Hornhaut mittels konfokaler Hornhautmikroskopie (Corneal confocal microscopy, CCM). Dort fanden sie im Vergleich mit der gesunden Kontrollgruppe bei Personen mit persistierenden neurologischen Symptomen eine reduzierte Dichte an Nervenzellen, Nervenfasern und -verästelungen sowie eine reduzierte Nervenfaserlänge.
Auch in Bezug auf die erhöhte Dichte reifer und unreifer dendritischer Zellen in der Hornhaut zeigten sich Unterschiede: Bei Personen mit und ohne persistierende neurologische Symptome war die Dichte an reifen und unreifen dendritischen Zellen in der Hornhaut im Vergleich zur gesunden Personengruppe erhöht. Die Stärke der Beeinträchtigung bei den von Nervenzellveränderungen Betroffenen scheint dabei laut den Studienautor:innen mit der Schwere von Long-Covid zusammenzuhängen.
Immunantwort in der Hornhaut
Da die dendritischen Zellen eine Rolle in der Immunantwort des Körpers spielen und bei verschiedenen Entzündungsprozessen und Immunreaktionen in die zentrale Hornhaut migrieren, vermuten die Forscher:innen einen Zusammenhang zwischen einem während der COVID-19-Erkrankung stattfindenden Entzündungsprozess und der Schädigung der Nervenzellen.3
Die Studie zeigte keine signifikanten Unterschiede zwischen den erfassten Geschlechtern oder Altersgruppen. Eine der Einschränkungen dieser Studie war, dass keine Nervenleitfähigkeitsmessung durchgeführt und im Einzelnen weder die Empfindlichkeit der Hornhaut noch die Augenoberfläche auf weitere Symptome untersucht wurden.3
Die Forscher:innen weisen darauf hin, dass nun weitere Untersuchungen mit größeren Patientenkohorten durchgeführt werden müssten, um die genauen Abläufe näher zu beleuchten. Die konfokale Hornhautmikroskopie (CCM) wird dabei als vielversprechendes Instrument gesehen, um in der Augenheilkunde schnell und objektiv Patient:innen mit Long-Covid zu identifizieren.3
2. Yelin D et al., Clin Microbiol Infect. 2021;27(4): 506-508
3. Bitirgen G et al., Br J Ophthalmol. 2021;0: 1-7
4. Kokot J et al., Acta Ophthalmol. 2018;96(3): 232-242