Verbesserte Diagnose der AMD durch OCT-Angiographie?
Die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) stellt eine der Hauptursachen für eine hochgradige Sehbehinderung und Blindheit dar.1
Die Entwicklung der choroidalen Neovaskularisation (CNV) ist hauptsächlich dafür verantwortlich, dass sich eine Spätform der AMD entwickelt: die neovaskuläre altersabhängige Makuladegeneration (nAMD). Charakteristisch ist dabei die Exsudation von Blut, Lipiden und Flüssigkeit in den subretinalen oder subretinalen pigmentepithelialen Raum. [2] Zurzeit stellt die Fluoreszenz-Angiographie (FAG) den Goldstandard zur Beurteilung der Netzhautdurchblutung dar. Sie ist unverzichtbar für die Diagnose der CNV und damit der nAMD: Der Farbaustritt macht neugebildete Gefäße und Leckagen sichtbar. In der klinischen Praxis wird die nAMD häufig durch die Kombination der FAG mit der optischen Kohärenztomographie (OCT) gesichert.2,[3] Die OCT ermöglicht es, nicht-invasiv räumliche Unterschiede im Reflexionsverhalten der einzelnen Netzhautschichten und damit krankhafte Veränderungen aufzudecken. Diese Bildgebung liefert die für die Untersuchung ausgewählten Netzhautbereiche als en-face-Darstellung, die einen Überblick erlaubt, sowie OCT-Schnittbilder (B-Scans), die eine detaillierte Struktur der Netzhaut aufzeigen. Die OCT ist ein fester Bestandteil in der Diagnose, Therapieplanung und Dokumentation der AMD.3
OCT-Angiographie: So funktioniert sie
Die optische Kohärenztomographie-Angiographie (OCT-A) ermöglicht eine nicht-invasive und schnelle dreidimensionale Darstellung der Mikrodurchblutung von Netz- und Aderhaut im Bereich der Makula und der Papille.2,3 Die OCT-A basiert technologisch auf der OCT und zeigt zeitliche Veränderungen im Reflexionsverhalten innerhalb der Netzhautschichten auf: Die sich bewegenden Erythrozyten in den Blutgefäßen machen die Strukturen auch ohne die Zugabe von Farbstoff sichtbar. Gleichzeitig stellen die Gewebsstrukturen im dreidimensionalen OCT-A einen Kontrast zu den Blutgefäßen dar, da sie keine Bewegung und damit auch keine zeitlichen Änderungen im OCT-Signal zeigen. Die zeitliche Veränderung errechnet sich durch den Vergleich mehrfacher OCT-A-Aufnahmen an einer Netzhautstelle.3
Die Analyse von OCT-A-Aufnahmen
Wie bei der OCT erfolgt auch die stirnseitige (en face) OCT-A-Aufnahme im Querschnitt.2,3 Auf dem Schnittbild ist das untersuchte Netzhautareal entlang der Netzhautstrukturen unterteilt (Abb. 1). Eine Segmentierungslinie erleichtert die Beurteilung darüber, in welcher Tiefe sich die dargestellten Gefäße befinden. Meist werden folgende verschiedene Bereiche automatisch vom Gerät festgelegt: vitreoretinale Grenzfläche, neurosensorische Netzhaut, Choriocapillaris und Aderhaut. Für die Analyse werden die gleichzeitig erstellten OCT-A-Aufnahme und der OCT-Scan benötigt: Zum einen, weil sich so zeitgleich die Durchblutung wie auch strukturelle Veränderungen innerhalb der Netzhaut betrachten lassen, zum anderen, weil die Segmentierungslinien Auskunft über die Lage, die Schichtdicke und den Verlauf anzeigen, ohne die eine Beurteilung der OCT-A-Aufnahme nicht möglich ist. Die OCT-A Aufnahmen eignen sich also für die Verlaufskontrolle von nAMD – so lässt sich in Folgeuntersuchungen durch Messungen des Blutflusses in den verschiedenen Netzhautschichten die Gefäßdichte ermitteln, indem die Fläche des Blutflusses zu jener der Gesamtfläche ins Verhältnis gesetzt wird.
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Löst die OCT-A die gängigen Untersuchungen bei nAMD ab?
Im Vergleich zur OCT-A dauert die FAG ungefähr 15 Minuten und kann als invasive Methode nach der Injektion des Farbstoffs bei Patient:innen Übelkeit, Urtikaria oder – seltener – Anaphylaxie hervorrufen.2,4 Dagegen ist die nicht-invasive und nur wenige Momente dauernde OCT-A nebenwirkungsärmer, lässt sich monatlich durchführen und liefert gleichzeitig funktionelle (OCTA-Angiogramm) wie auch morphologische Informationen (OCT-Scans).
Sie weist jedoch im Vergleich zum Goldstandard FAG (~ 100 %) lediglich eine Sensitivität von 79,3 % und eine Spezifität von 83,3 % auf, zudem sind falsch-negative wie auch falsch-positive Ergebnisse möglich – so beispielsweise durch Projektionsartefakte.4,5,6 Durch diese ist es dann nicht möglich, gesunde physiologische Gefäße von pathologischen zu unterscheiden. Es erscheint daher als nicht wahrscheinlich, dass OCT-A den Goldstandard FAG vollständig ablöst. Dennoch könnten therapeutische Maßnahmen früher getroffen werden, sobald eine CNV auf dem OCT-A-Scan zu erkennen ist.4,6
2. Faridi, A. et al. “Sensitivity and Specificity of OCT Angiography to Detect Choroidal Neovascularization.” Ophthalmology. Retina vol. 1,4 (2017): 294-303.
3. DOZ-Verlag Optische Fachveröffentlichung GmbH. OCT-Angiographie – Möglichkeiten und Grenzen.
https://www.doz-verlag.de/Newsbeitrag/oct-angiographie-moeglichkeiten-und-grenzen (Abruf am 04.07.2022)
4. Ly, Tu et al. “OCT angiography (OCTA): investigating real-world experience in neovascular AMD new patient clinic when using OCTA compared to the gold standard FFA.” Clinical medicine (London, England) vol. 20,Suppl 2 (2020): s112. doi:10.7861/clinmed.20-2-s112
5. AMBOSS.de. Epidemiologie und Wahrscheinlichkeiten.
https://www.amboss.com/de/wissen/Epidemiologie_und_Wahrscheinlichkeiten#Zf510dfcde4cd37a551ebeba4095269c2. (Abruf am 20.07.2022)
6. Gong, J et al. “The Diagnostic Accuracy of Optical Coherence Tomography Angiography for Neovascular Age-Related Macular Degeneration: A Comparison with Fundus Fluorescein Angiography.” Journal of ophthalmology vol. 2016 (2016): 7521478.